(english below)
Die Geschichte des Citroën Traction Avant wird oft durch die visionären Namen André Lefèbvre und Flaminio Bertoni geprägt. Doch im Schatten dieser Giganten wirkte ein Mann, dessen Einfluss auf die Ästhetik und die technische Umsetzung der Karosserie bis heute spürbar ist: Jean Daninos. Er war nicht nur ein brillanter Ingenieur, der entscheidend zur Entwicklung der selbsttragenden Stahlkarosserie beitrug, sondern auch der kreative Kopf hinter den elegantesten und begehrtesten Varianten des Traction Avant – den Coupés und Cabriolets.
Seine Karriere, die bei Citroën begann und im Olymp der französischen Luxusautomobilhersteller mit der Gründung von Facel Vega gipfelte, ist eine faszinierende Erzählung über Talent, Ehrgeiz und eine unerschütterliche Leidenschaft für die Perfektion von Form und Funktion. Dieser Artikel beleuchtet die oft übersehene, aber entscheidende Rolle, die Jean Daninos bei der Gestaltung eines der ikonischsten Automobile aller Zeiten spielte.
Geboren 1906 in Paris als Sohn griechischer Eltern, zeigte Jean Daninos schon früh eine außergewöhnliche Begabung für Technik und Design. Seine Karriere in der Automobilindustrie begann 1928, als er im Alter von nur 22 Jahren von André Citroën persönlich engagiert wurde. In einer Zeit des rasanten technologischen Wandels erkannte Citroën das Potenzial des jungen Ingenieurs und betraute ihn mit einer der größten Herausforderungen der damaligen Zeit: der Perfektionierung der Ganzstahlkarosserie. Daninos wurde zu einem Spezialisten für Presstechnik und Metallverarbeitung.
Seine Arbeit führte ihn mehrfach in die Vereinigten Staaten, wo er bei Pionieren wie Budd und Chrysler die modernsten Fertigungsmethoden studierte. Diese Reisen waren kein Zufall, denn André Citroën plante bereits die nächste Revolution: den Traction Avant. Er wusste, dass die Realisierung einer leichten, aber extrem stabilen, selbsttragenden Karosserie nur mit den fortschrittlichsten Pressen und Stanztechniken möglich war, die es damals nur in den USA gab. Daninos war der Mann, der dieses Wissen nach Frankreich transferieren sollte. Seine Fähigkeit, amerikanische Produktionseffizienz mit europäischer Designsensibilität zu verbinden, machte ihn zu einer Schlüsselfigur im Entwicklungsteam.
Als das Projekt „Petite Voiture“ (PV), aus dem später der Traction Avant hervorgehen sollte, an Fahrt aufnahm, wurde Daninos eine zentrale Rolle im Team von Raoul Cuinet zugewiesen, das für die Entwicklung der Karosserie verantwortlich war. Während Flaminio Bertoni als Bildhauer die bahnbrechende, aerodynamische Form des Wagens schuf, war es an Daninos und seinen Kollegen, diese Vision in ein massenproduzierbares, technisches Meisterwerk aus Stahl zu übersetzen. Die Herausforderung war immens: Die selbsttragende Karosserie, die ohne einen separaten Rahmen auskam, war eine absolute Neuheit in der europäischen Großserienproduktion. Sie versprach ein geringeres Gewicht, einen tieferen Schwerpunkt und eine bis dahin unerreichte Fahrsicherheit – alles Markenzeichen, die den Traction Avant später zur Legende machen sollten.
Daninos‘ tiefes Verständnis für die Eigenschaften von Metall, für die Notwendigkeit präziser Schweißpunkte und für die Logik von Pressstraßen war fundamental, um Bertonis kühne Linienführung in stabile und dennoch elegante Blechteile zu verwandeln. Er war der Pragmatiker, der dem Künstler Bertoni die technischen Mittel an die Hand gab, seine Vision zu verwirklichen.
Doch Jean Daninos‘ Beitrag erschöpfte sich nicht in der technischen Umsetzung der Limousine. Sein wahres Talent für Ästhetik und Proportionen offenbarte sich in seiner Verantwortung für die „Carrosseries Spéciales“, die Sonderkarosserien. André Citroën wünschte sich von Anfang an eine ganze Familie von Fahrzeugen, die auf der neuen Plattform aufbauen sollte. Es war Daninos, der die Aufgabe erhielt, aus der viertürigen Limousine die atemberaubend schönen Roadster und Faux-Coupés zu entwickeln. Hier konnte er seine eigene Designhandschrift einbringen. Er schuf Fahrzeuge von zeitloser Eleganz, die heute zu den seltensten und teuersten Traction-Avant-Modellen überhaupt zählen.
Berühmt ist die Anekdote, dass André Citroën ein viersitziges Cabriolet forderte. Daninos erkannte jedoch schnell die technischen Schwierigkeiten, die eine Verlängerung und Verstärkung der selbsttragenden Struktur mit sich gebracht hätte. Mit diplomatischem Geschick und technischer Argumentation überzeugte er die Direktion, stattdessen einen formvollendeten Roadster zu bauen, der zwar offiziell als Viersitzer galt, aber dessen hintere Notsitze eher symbolischen Charakter hatten. Dieses Gespür für das technisch Machbare, gepaart mit einem untrüglichen Sinn für Schönheit, zeichnete seine Arbeit aus.
Nach dem Krieg und dem Tod von André Citroën veränderte sich die Landschaft der französischen Automobilindustrie dramatisch. Die Ära der großen, luxuriösen Karosseriebauer schien vorbei. Doch Jean Daninos sah eine neue Chance. 1939 hatte er bereits sein eigenes Unternehmen gegründet: die Forges et Ateliers de Construction d’Eure-et-Loir, kurz FACEL. Zunächst auf die Herstellung von Flugzeugkomponenten spezialisiert, nutzte Daninos sein enormes Wissen über Metallverarbeitung nach dem Krieg, um in die Automobilbranche zurückzukehren. FACEL wurde schnell zu einem führenden Zulieferer für Karosserieteile und baute komplette Aufbauten für Marken wie Panhard, Simca und Ford-France.
Doch dies war nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu seinem wahren Traum: der Schaffung einer eigenen, durch und durch französischen Luxusmarke, die an die glorreichen Zeiten von Bugatti, Delage und Delahaye anknüpfen sollte. 1954 war es soweit: Der erste Facel Vega wurde enthüllt. Ein atemberaubend schönes Coupé, das französisches Design mit der unbändigen Kraft amerikanischer Chrysler-V8-Motoren verband. Es war die ultimative Verwirklichung von Daninos‘ Lebenswerk – eine Symbiose aus der technischen Brillanz, die er bei Citroën gelernt hatte, und seinem unstillbaren Verlangen nach automobiler Schönheit. Obwohl Facel Vega nur ein Jahrzehnt existierte, bleiben die Fahrzeuge bis heute unvergessene Ikonen des Stils und der Leistung.
Das Vermächtnis von Jean Daninos ist somit untrennbar mit zwei der größten Namen der französischen Automobilgeschichte verbunden. Er war einer der entscheidenden Ingenieure, die dem Citroën Traction Avant seine revolutionäre Struktur und seine eleganten Sonderkarosserien gaben. Und er war der Visionär, der mit Facel Vega den letzten großen Versuch unternahm, die Tradition der französischen „Grandes Routières“ wiederzubeleben.
Sein Weg von den Werkhallen am Quai de Javel bis an die Spitze des Luxusautomobilbaus ist ein beeindruckendes Zeugnis dafür, wie technisches Genie und künstlerisches Gespür eine ganze Industrie prägen können. Jean Daninos starb 2001 im Alter von 94 Jahren, doch seine Schöpfungen – vom eleganten Traction Avant Cabriolet bis zum brachialen Facel Vega HK 500 – rollen als ewige Denkmäler seiner Meisterschaft weiter über die Straßen der Welt.
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Jean Daninos: The Unsung Architect of the Traction Avant’s Elegance
The history of the Citroën Traction Avant is often defined by the visionary names of André Lefèbvre and Flaminio Bertoni. Yet, in the shadow of these giants, there was a man whose influence on the aesthetics and technical implementation of the bodywork remains palpable to this day: Jean Daninos. He was not only a brilliant engineer who played a decisive role in the development of the monocoque steel body, but also the creative mind behind the most elegant and coveted variants of the Traction Avant—the coupés and cabriolets.
His career, which began at Citroën and culminated in the pantheon of French luxury car manufacturers with the founding of Facel Vega, is a fascinating tale of talent, ambition, and an unwavering passion for the perfection of form and function. This article sheds light on the often-overlooked but crucial role that Jean Daninos played in shaping one of the most iconic automobiles of all time.
Born in Paris in 1906 to Greek parents, Jean Daninos showed an extraordinary aptitude for engineering and design from an early age. His career in the automotive industry began in 1928 when, at the age of just 22, he was personally hired by André Citroën. In an era of rapid technological change, Citroën recognized the young engineer’s potential and entrusted him with one of the greatest challenges of the time: perfecting the all-steel body.
Daninos became a specialist in press technology and metalworking. His work took him to the United States on several occasions, where he studied the most advanced manufacturing methods with pioneers like Budd and Chrysler. These trips were no coincidence, as André Citroën was already planning the next revolution: the Traction Avant. He knew that the realization of a lightweight yet extremely strong monocoque body was only possible with the most advanced presses and stamping techniques, which at the time were only available in the USA. Daninos was the man tasked with transferring this knowledge to France. His ability to combine American production efficiency with European design sensibility made him a key figure in the development team.
As the „Petite Voiture“ (PV) project, which would later become the Traction Avant, gained momentum, Daninos was assigned a central role in Raoul Cuinet’s team, which was responsible for body development. While Flaminio Bertoni, a sculptor, created the car’s groundbreaking, aerodynamic shape, it was up to Daninos and his colleagues to translate this vision into a mass-producible, technical masterpiece of steel.
The challenge was immense: the monocoque body, which did without a separate frame, was an absolute novelty in European mass production. It promised lower weight, a lower center of gravity, and an unprecedented level of driving safety—all hallmarks that would later make the Traction Avant a legend. Daninos‘ deep understanding of the properties of metal, the need for precise welds, and the logic of press lines was fundamental to transforming Bertoni’s bold lines into stable yet elegant sheet metal parts. He was the pragmatist who provided the artist Bertoni with the technical means to realize his vision.
However, Jean Daninos’s contribution was not limited to the technical implementation of the saloon. His true talent for aesthetics and proportion was revealed in his responsibility for the „Carrosseries Spéciales,“ the special bodies. From the outset, André Citroën wanted a whole family of vehicles to be built on the new platform. It was Daninos who was given the task of developing the breathtakingly beautiful roadsters and faux-coupés from the four-door saloon. Here, he was able to introduce his own design signature. He created vehicles of timeless elegance that are now among the rarest and most expensive Traction Avant models of all.
The anecdote is famous that André Citroën requested a four-seater cabriolet. However, Daninos quickly recognized the technical difficulties that an extension and reinforcement of the monocoque structure would have entailed. With diplomatic skill and technical argumentation, he convinced the management to build a perfectly formed roadster instead, which was officially considered a four-seater, but whose rear emergency seats were more symbolic in nature. This sense of what was technically feasible, coupled with an unerring eye for beauty, characterized his work.
After the war and the death of André Citroën, the landscape of the French automotive industry changed dramatically. The era of the great, luxurious coachbuilders seemed to be over. But Jean Daninos saw a new opportunity. In 1939, he had already founded his own company: the Forges et Ateliers de Construction d’Eure-et-Loir, or FACEL for short. Initially specializing in the manufacture of aircraft components, Daninos used his vast knowledge of metalworking to return to the automotive industry after the war. FACEL quickly became a leading supplier of body parts and built complete bodies for brands such as Panhard, Simca, and Ford-France.
But this was just an intermediate step on the way to his true dream: the creation of his own, thoroughly French luxury brand that would revive the glorious days of Bugatti, Delage, and Delahaye. In 1954, the time had come: the first Facel Vega was unveiled. A breathtakingly beautiful coupé that combined French design with the untamed power of American Chrysler V8 engines. It was the ultimate realization of Daninos’s life’s work—a symbiosis of the technical brilliance he had learned at Citroën and his unquenchable desire for automotive beauty. Although Facel Vega only existed for a decade, the vehicles remain unforgettable icons of style and performance to this day.
The legacy of Jean Daninos is thus inextricably linked with two of the greatest names in French automotive history. He was one of the key engineers who gave the Citroën Traction Avant its revolutionary structure and its elegant special bodies. And he was the visionary who, with Facel Vega, made the last great attempt to revive the tradition of the French „Grandes Routières.“
His journey from the workshops on the Quai de Javel to the pinnacle of luxury car manufacturing is an impressive testament to how technical genius and artistic flair can shape an entire industry. Jean Daninos died in 2001 at the age of 94, but his creations—from the elegant Traction Avant Cabriolet to the brutal Facel Vega HK 500—continue to roll on the world’s roads as eternal monuments to his mastery.
